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Comic Review: Kick-Ass 2 Gesamtausgabe

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Das ewige Spiel mit den Fortsetzungen erfolgreicher Marken ist keines, das ausschließlich Hollywood oder etwa der Videospielindustrie vorbehalten ist. Auch im Comicsektor wird fleißig rebootet und fortgesetzt, da werde Vergangenheiten geschrieben und parallele Erzähl- und Handlungsstränge zu Serienablegern verarbeitet. Wem kann man es verübeln? Die Fans der Urserien verzehren sich nach frischem Material und die Verlage und Comicschaffenden können populäre Franchises gewinnbringend um neue Stoffe ergänzen. Im besten Fall fügen sich die Fortsetzungen als sinnvolle Erweiterungen  in das bestehende Comicuniversum ein, im schlechtesten Falle führen sie es ad absurdum. Als Mark Millars grandiose Dekonstruktion des Superhelden-Genres „Kick-Ass“  als Leinwandadaption Erfolge feiern durfte, entschied dieser sich die Marke Kick-Ass zu einer Trilogie auszuweiten. Während also hinterm großen Teich bereits die ersten beiden Ausgaben der Kick-Ass 3 Mini-Serie erschienen sind, müssen wir vorerst noch mit dem Zweitwerk (sowie dem Hit-Girl Spin-Off) vorlieb nehmen.  Im Zuge der Veröffentlichung der zweiten Kick-Ass Verfilmung unter der Regie von Jeff Wadlow wurde hierzulande unter dem Banner von Panini Comics noch im Juni vorab eine schnieke Gesamtausgabe von Kick-Ass 2 veröffentlicht, welche wir an dieser Stelle nun genauer inspizieren wollen.

/Achtung SPOILER!/

Man erinnere sich – Am Ende von Kick-Ass 1 bringen Dave Lizewski alias Kick-Ass und Hit-Girl den Mafiaboss John Genovese in einem äußerst blutig geratenen Showdown zur Strecke. Und obgleich Dave außerhalb des Superhelden-Kostüms nach wie vor der Statist im eigenen Leben ist und von seiner Flamme auf mehr als nur demütigende Art und Weise abserviert wird, avanciert sein Alter Ego zu einer popkulturellen Ikone, die eine ganze Welle von Nachahmern breittritt.

 /SPOILER ENDE/

Und genau an dieser Stelle setzt dann auch Mark Millars durchgehyptes Sequel an: Kick-Ass 2 erzählt vor allem von einer neuen Ära (ähnlich wie in Watchmen),  in der sich engagierte Bürger in eigens zusammengebastelte Superheldenkluften zwängen, Team-Ups bilden um gemeinsam die Straßenkriminalität in New York zu bekämpfen oder sich schlicht in sozialen Diensten wie den lokalen Suppenküchen einzubringen. Dave wird von der zwölfjährigen Mindy Macready (Hit-Girl) hart trainiert, während die Superheldenpopulation auf den Straßen zunehmend steigt. Als Kick-Ass einmal routinemäßig seine Streife macht, trifft er auf Doctor Gravity, welcher ihn nach einem kurzen Intermezzo mit einer Gruppe aggressiver Gangster in die eine junge Justice Forever getaufte Superhelden-Vereinigung einführt, welche von dem ehemaligen und später zum Christentum konvertierten Mafiamitglied Colonel Stars & Stripes geführt wird. Zusammen widmen sie sich mehr oder weniger schlagkräftig den Problemen der Stadt. Mindy währenddessen ist aus Sorge und Verantwortungsbewusstsein um ihre psychisch labile Mutter und ihrem Ziehvater Marcus vom Superhelden-Dasein isoliert und muss stattdessen versuchen, das brave Töchterlein zu geben. Aber was bitte ist ein Superheld ohne seine Nemesis? Richtig, kein richtiger Superheld –Als Kick-Ass mit Begleitung einst John Genovese die Klöten zerschoss und den Schädel spaltete, hinterließ er einen äußerst zornigen Sprössling (Chris Genovese aka Red Mist), der sich mit allen (vor allem finanziellen) Mitteln versucht an seinem Peiniger zu rächen. Als der Motherfucker rekrutiert er fortan unter seiner neuen Identität erbarmungslose Söldner aus aller Welt, um nicht nur all jene zu töten, die Dave Lizewski je geliebt hat, sondern auch um die ganze Stadt und das gesamte Superheldentum in Schutt und Asche zu legen (vermutlich einfach nur deshalb, weil das Dasein als Bösewicht zu gewissen Traditionen verpflichtet).  Ein gnadenloser und existenzieller  Kampf um New York beginnt – Natürlich nicht, ohne dass Mindy wieder in ihr Hit-Girl Kostüm schlüpfen muss, um die Justice League bei ihrem Kampf zu unterstützen.

In Kick-Ass 2 weht ein deutlich rauerer Wind als im ohnehin schon recht blutigen Vorgänger – Wird anfangs noch ein idyllisches Bild vom Superhelden-Dasein gezeichnet – So mit bisschen Dresche für die bösen Jungs, netten Kollegen und der Illusion eines fast schon sicheren Big Apples, bricht der aus Spandex gemachte Garten Eden endgültig entzwei, als der äußerst angepisste Motherfucker aus dem selbstgewählten Exil zurückkehrt mitsamt seiner illustren Truppe böser Schergen (Sehr krass: Mother Russia). Es folgt ein selten grausamer Mord an einem Mitglied der Justice Forever-Truppe, dessen Leichnam nebenbei noch ultimativ geschändet wird. Auch das einstige Objekt von Daves Begierde, Kathy, wird Opfer eines mehr als nur bestialischen Rachefeldzugs gegen Dave – und wird Teil einer Szene, die sich zentimetertief ins Gedächtnis des Lesers brennt und wie ein richtig schmerzhafter Tritt in die Magengrube anmutet – Was Mark Millar hier teils für Geschütze auffahren lässt, ist für einen Mainstream-Comic in dieser Form schon ziemlich grenzwertig. Die Boshaftigkeit des Motherfuckers wird zwar sehr überhöht und stilisiert – Die Art und Weise aber, wie er Gewalt anwendet wirkt sehr roh, sehr menschlich und ist tief verwurzelt in der Realität, was der Comic-Attitüde des Ganzen einen sehr geerdeten (und beklemmenden) Touch verleiht.  Der Bodycount schnellt in ungeahnte Höhen, der Blutzoll ist hoch, Dave Lizewski hat mehr als nur einen tragischen Verlust zu beklagen – Und trotzdem schlängelt sich durch den ganzen Band hinweg der typische Kick-Ass Humor,  welcher den Zeitgeist und die skurillen Abgründe der Web 2.0-Gesellschaft gekonnt auf die Schippe nimmt, wenn auch auf zuweilen sehr makabre Weise.  Nachdem der immer mehr aus den Fugen geratene Chris Genovese  etwa eine Gruppe in der Straße spielender Kinder über den Haufen schießt und selbst seine Mitstreiter angesichts dieses Blutbades schockiert über sein Tun sind, kommt bloß ein zynisches „Ach kommt, da verliert iCarly eben ein paar Zuschauer… Na und?“  – Das ist ein extrem schal schmeckender Humor, der weh tut.

Kick-Ass 2 demaskiert und persifliert in konsequenter Weise die genrespezifischen Eigenheiten- Hat sich Kick-Ass 1 den klassischen Superhelden Origin-Handlungsstrang vorgenommen, haben wir hier bereits etablierte Zusammenhänge – Das resultiert in einem episch (oder gar infernalisch) angelegten Szenario – Gut gegen Böse in seiner reinsten Form. Nur haben die Guten die Verantwortung auf ihren Schultern zu tragen, die Bösen überhaupt erst erschaffen zu haben.

Elemente wie Superhelden-Gruppen sind etwas, dass seit der Avengers-Verfilmung nicht nur Comic-Jüngern bekannt sein dürfte,  das staatlich angeordnete Verbot von kostümierten Vebrechensbekämpfern und Selbstjustizlern wurde bereits in Alan Moores Watchmen thematisiert und die Frage um den Preis der eigenen Superhelden-Identität ist eine, die auch in Christopher Nolans Batman-Trilogie gestellt wurde. Insofern bietet Kick-Ass zwar keine völlig neuen Erkenntnisse,  greift aber jene der Vorbilder auf und mischt sie in einen popkulturell relevanten Rahmen, gewürzt mit einem ordentlichen Schuss Nihilismus. Kick-Ass 2 geht in dieser Hinsicht weiter als der Vorgänger und ist weniger unterhaltend als stellenweise sehr unangenehm, trotz witziger Einfälle wie dem Hai (der ja bekanntlich des Schurken liebstes Haustier ist), der träge am Grund des riesigen Aquariums döst anstatt die unliebsamen Opfer des Motherfuckers zu zerfetzen.  Auch Freunde echter Happy Ends werden mit Kick-Ass 2 vermutlich nicht glücklich – Denn die Frage, wie schwer die Konsequenzen für die eigenen Taten wiegen, ist letzten Endes eine bittere Pille. Man mag Mark Millar mit seiner Kick-Ass Reihe vieles vorwerfen:  Selbstzweckhafte Gewaltverherrlichung, Homophobie, Sexismus und Vulgarität – Ich hingegen meine, dass all dies naturgemäß keine schönen und erstrebenswerte Dinge sind, aber es sind Geschwüre, die sowohl in unserer Gesellschaft zu finden sind, als auch insbesondere in dem Milieu das Millar skizziert. Kick-Ass hievt das altbekannte Spider-Man-„Aus großer Macht folgt große Verantwortung“-Motiv auf ein völlig neues Level,  an einem Punkt, der jenseits der Vernunft liegt. Die Romantisierung der Selbstjustiz wird sehr offensiv auseinandergenommen. Ein Punkt hingegen missfällt mir jedoch, den ich im Film als besser gelöst empfand: Auf  die Teamdynamik bei Justice Forever wird viel mehr Bezug genommen, als im Comic – Ob Night Bitch, das Remembering Tommy-Duo, Daves Kumpel als Battleboy oder eben das Oberhaupt Colonel Stars and Stripes – Deren Persönlichkeiten werden im Film viel schärfer umrissen (inkl. einer Romanze zwischen Night Bitch und Kick-Ass), weshalb auch die Verluste schmerzhafter sind. Im Comic werden nahezu keine Gefühlsdusseligkeiten an das Team verschwendet, was zwar insgesamt zum zynischen Charakter des Werkes passt, mir jedoch als ein Punkt erscheint, wo ein gewisses dramatisches Potential verschenkt wurde.

Wie schon Kick-Ass 1 wurde das Zweitwerk ebenfalls von John Romita Jr. gezeichnet – Und was Romita Jr. hier raushaut ist schlichtweg heißer Scheiß. Die Figuren sind vielleicht keine Hünen mit überdetaillierter Muskelmasse und anatomisch korrekt modellierten Adonis Körpern – Romita Jr. zeichnet die Figuren reduzierter, stilisiert – mit Ecken, Kanten und Mut zum harten Strich – aber eben auch nicht zu comichaft. Dafür hingegen gibt es übermächtige, ausladende Panels in denen der Blutrausch ausschweifend zelebriert wird. Romitas Zeichenstil schafft es eine Balance zu halten, zwischen einem grundsätzlich auf Realismus getrimmten Stil und dem orgiastischen Exzess des Superhelden-Comics und rückt damit in die Nähe der cineastischen Bildsprache, wie man sie auch etwa von Miller kennt.

Fazit: Kick-Ass 2 ist ein ultrabrutales Machwerk und eine äußerst zynische Hommage an das Superheldengenre. Obwohl sich der typische Kick-Ass Humor mitsamt seinen popkulturellen Anspielungen durch das gesamte Werk hindurchzieht, wirkt das Ding wesentlich beklemmender als der Vorgänger. Der Gewaltpegel ist deutlich höher, der Humor ätzender, die Stimmung hoffnungsloser. Das mag dem einen oder anderen sauer aufstoßen, ich empfinde es als konsequenten Schritt, den Millar da  gegangen ist – Er liefert ein Werk ab, das noch lange im Gedächtnis verankert bleibt.  Vorab: Der Film, dem ich in Kürze seinen eigenen Artikel widme, ist ziemlich nah an der Vorlage dran – Weil er aber (zum Glück) nicht ganz so radikal daherkommt wie der Comic, ist er doch einen ganzen Tacken unterhaltsamer und weniger sperrig als das Original.

ISBN 978-3-86201-504-7

Umfang: 212 Seiten, farbig

Maße: 17,2 x 26,4 cm

Klappenbroschur, Gebundene Ausgabe

Preis: 19.95 EUR Softcover, erschienen bei Panini Comics

Kick-Ass 2 Gesamtaugabe
  • Story
  • Zeichnungen
4.3

Kurzfassung

Kick-Ass 2 ist ein ultrabrutales Machwerk und eine äußerst zynische Hommage an das Superheldengenre. Obwohl sich der typische Kick-Ass Humor mitsamt seinen popkulturellen Anspielungen durch das gesamte Werk hindurchzieht, wirkt das Ding wesentlich beklemmender als der Vorgänger. Der Gewaltpegel ist deutlich höher, der Humor ätzender, die Stimmung hoffnungsloser. Das mag dem einen oder anderen sauer aufstoßen, ich empfinde es als konsequenten Schritt, den Millar da  gegangen ist – Er liefert ein Werk ab, das noch lange im Gedächtnis verankert bleibt.  Vorab: Der Film, dem ich in Kürze seinen eigenen Artikel widme, ist ziemlich nah an der Vorlage dran – Weil er aber (zum Glück) nicht ganz so radikal daherkommt wie der Comic, ist er doch einen ganzen Tacken unterhaltsamer und weniger sperrig als das Original.

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